· 

Jahresrückblick 2021 - Viel Zeit, ganz für mich

 

Mein Jahr war, wie sollte es auch anders sein, von der Pandemie geprägt. Andere wurden durchgewirbelt und waren gestresst. Bei mir war das nicht so - zumindest nicht in erster Linie.

 

Mein Problem war etwas anders gelagert: Ich hatte sehr viel freie Zeit und musste etwas damit anfangen. Oder vielmehr: Ich musste etwas mit mir anfangen. Ich war auf mich selbst zurückgeworfen. Radikal und ohne Wenn und Aber. Mit viel weniger Ablenkungen als sonst, einfach so.

 

Viel Zeit - manchmal fast wie früher

So viel freie Zeit und so wenig Input von außen - das war erst einmal beängstigend. Ich bin ja wirklich kein oberflächlicher Mensch, genieße aber natürlich die Anregung von außen. Kino, Theater, Ausstellungen, Essen gehen, Tee trinken gehen, Shopping, Künstlermärkte, Familie, Freunde, Bekannte, Reisen, Kurse – all das fehlte mir genauso wie allen anderen.

 

Aber dann gab es immer wieder diese Momente, in denen es ein bisschen wie früher war, als es all diese Möglichkeiten noch nicht so reichlich gab. Fast wie als Kind mit so viel Zeit, bis zur Langeweile und noch ein Stückchen weiter. Bis wir unseren Kern und unsere Kreativität wieder finden.

 

Im Folgenden notiere ich dazu einige Beobachtungen und Gedanken, die in diesem Jahr für mich wichtig waren. Ich gehe dabei aber nur episodisch vor, sonst wird der Jahresrückblick ja endlos.

 

Routinen mit Eigenleben

Wenn ich dieses Jahr etwas gelernt habe, dann dass Routinen ein Eigenleben haben. Nicht ich wähle meine Routinen - es ist umgekehrt. Dazu muss man wissen, dass ich jede nur denkbare Begründung für eine Pause aus dem Stehgreif flüssig vortragen kann. Denn neue Routinen endeten stets innerhalb von einer Woche. Ich hielt nur durch, wenn ich mir nichts vornahm.

 

Dieses Jahr hat mir gezeigt, dass es mir nicht an Konsequenz fehlte, wie ich immer gedacht hatte. Ich war einfach nur erschöpft. Wenn ich wirklich-wirklich ausgeruht bin, kommt der Impuls nämlich von allein. So war nicht ich es, die neue Routinen eingeführt und durchgehalten hat, sondern sie haben sich selbst etabliert – mit der nötigen Flexibilität und Abwechslung.

 

Meine Bücher - Mein Leben

Ohne Bücher keine Katharina – so war es schon immer. Wie Hermine war ich eigentlich permanent auf dem Weg in die Bibliothek. Wo andere auf Visionssuche in den Wald gingen, stöberte ich im Buchladen. Ich habe nachgemessen: Ich besitze ganze 31 Meter an Büchern, plus mehrere hohe Stapel auf dem Boden – und noch einige Kisten im Keller (und vermutlich habe ich noch einmal so viele Bücher bereits weg gegeben).

 

Und dann hatte ich auf einmal so viel Zeit und was passierte? Ich las kaum noch. Was für eine Veränderung! Ich weiß nicht, warum das so war. Aber meine Bücherliste 2021 ist eher kurz und wild zusammen gewürfelt:

 

Pixie Lighthorse: Prayers of Honoring Voice

James Nestor: Breath. Atem. Neues Wissen über die vergessene Kunst des Atmens

Patrick McKeon: Erfolgsfaktor Sauerstoff

Richard Stiegler: Zwischen Zeit und Ewigkeit

Mark Singleton: Yoga Body. The Origins of Modern Posture Practice.

Frank Berzbach: Formbewusstsein. Eine kleine Vernetzung der alltäglichen Dinge

Hans-Peter Kunisch: Todtnauberg. Die Geschichte von Paul Celan, Martin Heidegger und ihrer unmöglichen Begegnung

Kocku von Stuckrad: Die Seele im 20. Jahrhundert. Eine Kulturgeschichte

Aleida Assmann: Menschenrechte und Menschenpflichten. Schlüsselbegriffe für eine humane Gesellschaft

Eingeschneit im Sturm der Pandemie

Ich habe mich akribisch auf die Winterwelle vorbereitet. Seit die Zahlen im Herbst so enorm stiegen, habe ich eingekauft und vorgesorgt. Jetzt, zum Jahreswechsel, fühle ich mich wie eingeschneit: Draußen tobt der Pandemie-Sturm, und drinnen stapeln sich die Vorräte bis unters Dach.

 

Das kam mir anfangs skurril vor, entpuppte sich aber als eine sehr angenehme Art, den Advent und die Weihnachtszeit zu verbringen: Die stade Zeit war diesmal wirklich ruhig, ohne Einkaufs- und Geschenkerummel. Bislang habe ich offenbar absurd viel Zeit mit Besorgungen verbracht. 


Mittlerweile ist eine sportliche Herausforderung daraus geworden: Wie lange kommt man eigentlich aus, ohne einzukaufen?

 

Entwicklungen in der Atempraxis

Auch in meiner Atempraxis hatte ich viel mehr Zeit als sonst, weil über weite Strecken ja kaum Atembehandlungen möglich waren. Erst einmal gefiel mir das gar nicht. Aber im Nachhinein kann ich es doch fast als Glücksfall bezeichnen.

 

Atem-Blog

Ich hatte dieses Jahr endlich Zeit, mich der Frage zu widmen, was die Atemarbeit so wirksam macht. In der Literatur geht es entweder nur um medizinisch-physiologische Aspekte, oder man liest lange Beschreibungen, wie wunderbar sich das alles anfühlt. Irgendetwas fehlt immer.

 

Es ging mir also erst einmal darum, meinen eigenen Schwerpunkt zu finden. Ich bin ja wissenschaftlich ausgebildet und habe daher ein Faible für Fakten und sorgfältige Analysen. Auch die historische Einordnung ist mir wichtig. Und dann ist da noch das Spüren und Mitschwingen, das die Atemarbeit auszeichnet. Das alles gehört für mich dazu.

 

Im August war ich endlich soweit und startete meinen Blog. Und sofort ging das Lernen wieder los: Ich musste mich erst daran gewöhnen, mich mit meiner Meinung sichtbar zu machen. Leider ist einem ja bei jedem einzelnen Schritt ins Neue wieder mulmig...

 

Adventskalender

Die Idee zu meinem Adventskalender kam mir erst Ende November bei einem Abendspaziergang. Und dann artete es in Besessenheit aus: Themen finden, Grafiken machen und texten, texten, texten. Ich war über Wochen schwer beschäftigt. Aber ich wollte mich selbst aus dem Corona-Frust heraus schreiben, einen Kontrapunkt setzen und andere daran teilhaben lassen.

 

Atem-Newsletter

Erst Ende Dezember kam ich dazu, meinen Newsletter einzurichten. Das war zum Glück viel leichter als gedacht. Und da man sich ja immer überprüfbare Ziele setzen soll, sage ich jetzt frisch und frei: Mein Ziel für die Adressliste ist, bis Jahresende (also bis heute...) den mittleren einstelligen Bereich zu erreichen. Und wenn wir zweistellig werden, feiern wir! Versprochen!
 

Blick über den Zaun

Ich werfe gerne einen Blick über den ein oder anderen Zaun - dort ist das Gras ja immer grüner. Auch dieses Jahr konnte ich meine Gedanken schweifen lassen und Neues ausprobieren - für mich selbst und für meine Atempraxis. Hier sind einige Beispiele, aus denen sich (vielleicht) etwas entwickeln wird.

 

Von Kneipp zu Hof

Seit einigen Jahren bin ich von Kneipp und seiner Hydrotherapie begeistert. Dieses Jahr habe ich noch eins draufgesetzt: Seit November experimentiere ich mit der Wim-Hof-Methode – eine Kombination aus Meditation, kontrollierter Hyperventilation und kalten Duschen (für die Weicheier) oder Eisbädern (für die echten Helden). Meine erste Beobachtung: Man muss vorsichtig anfangen und darf nicht zu schnell steigern. Dann ist das Ergebnis beeindruckend: Vitalität und Kraft, wie man sie eher in der Jugend spürt.

 

Arbeit mit inneren Bildern

Seit dem Sommer arbeite ich intensiv mit der Methode der Dynamischen Neurokognitiven Imagination von Eric Franklin. Dieser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass endlich auch der Kopf seinen Platz in dem ganzen Körper-Spüren findet. Der Kopf unterstützt den Körper in seinen Bewegungen, ist also weder dominant, noch wird er abgewertet. Dieser Spur möchte ich folgen – auch in meiner Atempraxis.

 

Online-Kurse

Ich habe im letzten Jahr viele Online-Kurse ausprobiert und bin begeistert: Dieses Medium ist gerade für Hochsensible gut geeignet, weil die Gruppendynamik nahezu vollständig wegfällt. Und man kann den Input so schön dosieren. Das möchte ich für die Atemarbeit nutzen.

Meine größte Lehre

Dieses Jahr war wie ein strenger Lehrer: Immer wenn ich etwas so machen wollte, wie vor der Pandemie, hat es nicht geklappt.

 

Irgendwann habe ich es dann kapiert: Es bringt nichts, wenn ich mich auf das konzentriere, was ich gerne hätte, warum es nicht geht und wie blöd ich das finde. Wenn alle das so machen, entsteht daraus eine Pandemie der Bockigkeit. Sinnvoller ist es, wenn ich mir die Situation anschaue und dann bewusst wähle.

 

Und wir haben doch wirklich ein Potpourri an Möglichkeiten. Auch in schlechten Zeiten gibt es immer etwas, das gut tut. Wir haben viele Pfeile im Köcher. Es geht uns besser, wenn wir aus dieser inneren Fülle schöpfen, statt über den äußeren Mangel zu meckern.

 

Mein Fazit

Wenn ich zurückblicke, bin ich vor allem davon überrascht, welche Fülle mir die Einschränkung gebracht hat. Nicht dauerhaft, aber immer wieder - so hatte ich zeitweise doch tatsächlich Sorge, der Lockdown könne enden, weil ich sonst nicht fertig würde. So ist es dann ja auch gekommen: Ich bin nicht fertig damit – und werde es wohl auch so bald nicht sein. 


Denn mein Leben hat sich verändert, unbeabsichtigt und unmerklich: Es ist schlichter geworden. Und klarer. Die äußeren Freiheiten in all ihren Abstufungen und Varianten sind nicht mehr so wichtig für mein Wohlbefinden. In der Reduktion liegt eine Kraft, die ich nicht für möglich gehalten hätte. 


Aber das ist ja eigentlich eine alte Weisheit: Wir brauchen die ganzen äußerlichen Möglichkeiten gar nicht, um Erfüllung zu finden. Wir brauchen die Freiheiten des Konsums nicht, um frei zu sein. Eher im Gegenteil.

 

Bei allem Schweren, das dieses Jahr (auch) gebracht hat: Ich möchte diese Erfahrung von innerer Freiheit und die Fülle nicht missen, sondern sie immer wieder in mein Leben einladen. Und so freue ich mich jetzt schon auf die viele Zeit, die ich mir im kommenden Jahr für mich selber nehmen werde. Diesmal aus freien Stücken.

 

Ideen und Pläne für 2022

 

Ich möchte nach und nach weitere Ansätze der Atemarbeit kennen lernen. Im Moment denke ich vor allem an die Arbeit von Patrick McKeon mit Sportlern.

 

Ich möchte meine Berührungs-Fähigkeiten für die Atembehandlungen erweitern. Insbesondere reizt mich Cranio und Neuroaffective Touch.

 

Ich werde weiter an meinem Blog schreiben. Und allmählich nähere mich auch dem Gedanken, ein eigenes Online-Angebot zu erarbeiten. Vielleicht schon für die Fastenzeit.

 

Wenn die Pandemie es zulässt, wird es im Frühjahr einen Präsenz-Workshop geben.
     

Und natürlich wäre es schön, wenn endlich wieder mehr Atembehandlungen möglich wären!

 

Mein Motto für 2022: Lass Dir Zeit. Mehr. Viel, viel mehr.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0