Die Atemarbeit ist ein weites Feld, auf dem sich viele tummeln. Hier gebe ich ein paar Tipps, die mir immer wieder geholfen haben, Unterstützung für den nächsten Schritt zu finden:
Das Allerwichtigste zuerst: Die Chemie muss stimmen. Man kann es gar nicht genug betonen: Wenn der Mensch zu Dir passt, wird auch seine Methode gut zu Dir passen – denn der Mensch hat ja das für ihn Passende gewählt.
Für mich persönlich zählen vor allem die Reife und die Sorgfalt der Therapeutin. Das ist mir so wichtig, weil die Atemarbeit sehr stark zur Regression einlädt – schließlich können unerfüllte Bedürfnisse nur nachgenährt werden, wenn sie zum Vorschein kommen dürfen. Allerdings verhalten wir uns halt auch sehr kindlich. Die Gefahr ist, dass die Therapeutin unbewusst die Regression der Klienten fördert, solange sie ihre eigene Sehnsucht nach Bewundert- und Geliebt-Werden nicht integriert hat. Die Entwicklung von Autonomie wird dann eher behindert. Das kann zu großen Verletzungen führen, insbesondere in Gruppen, deren Leiterinnen diese Dynamik nicht kennen.
Auf jeden Fall lohnt sich auch der Blick auf die Ausbildungen. Zum Beispiel findet man Adressen von gut ausgebildeten Therapeutinnen und von Ausbildungsinstituten über die beiden Berufsverbände BV Atem und BEAM. Die Verbände verfolgen einen etwas unterschiedlichen Ansatz, fokussieren sich aber beide auf die Entfaltung des frei schwingenden Atems. Therapeutinnen die (auch) mit Atemübungen arbeiten, sind also nicht in ihnen organisiert (ich selbst bin daher auch nicht Mitglied). Aus meiner Erfahrung ist es auch ein wichtiges Kriterium, dass Gruppenleiterinnen zusätzlich zur fachlichen Ausbildung auch in Gruppenleitung und Gruppendynamik ausgebildet sind – und zwar in externen, nicht nur in „hauseigenen“ Ausbildungen.
Sucht man jemanden, der mit Atemübungen arbeitet, lohnt sich die Suche über die Yoga-Berufsverbände. Sportlerinnen und sehr leistungsorientierte Menschen können zum Beispiel bei Atemlehrerinnen aus der Schule von Wim Hof oder Patrick McKeon fündig werden. Für Bio-Hacker ist auch Kasper van der Meulen eine gute Adresse. Allerdings wirken Atemübungen für feinfühlige Menschen oft sehr stark – für sie lohnt es sich daher, nach einer Therapeutin zu suchen, der sich mit Hochsensibilität auskennt und subtil arbeiten kann.
Für mich persönlich zählt an dieser Stelle, ob die Therapeutinnen andere Richtungen integrieren – neben verschiedenen Atemrichtungen achte ich zum Beispiel auch auf Erfahrung in Körperarbeit, Psychotherapie und Gesprächsführung. Das ist mir so wichtig, weil ich Vielseitigkeit als Bereicherung erlebe. Aus meiner Sicht ermöglicht jede Schule andere Erfahrungen und bietet ein eigenes Wissen – wichtig ist jedoch, den für mich richtigen Zeitpunkt zu finden. Ich selber arbeite daher am liebsten mit Menschen, die offen geblieben sind und mich auf meiner Suche begleiten und auf interessante (Um)Wege hinweisen können.
Ein wichtiger Hinweis zum Schluss: Bei medizinischen Problemen sollte man auf jeden Fall vorher abklären, ob die Atemarbeit möglich ist, vor allem bei kräfigeren Übungen. Bei akuten Problemen – zum Beispiel bei Asthma, Long-Covid oder Skoliose – lohnt sich die Suche nach einer Physiotherapeutin, die auf diese Arbeit spezialisiert ist und auch spezielle Atemübungen zeigen kann. Eine weitere Möglichkeit ist die reflektorische Atemtherapie, die viele Physiotherapeutinnen anbieten. Sie ist hochwirksam, aber zum Teil recht kräftig. Gerade bei hochsensiblen Menschen kann sie deshalb auch zu intensiv sein.
Besondere Vorsicht ist bei traumatischen Belastungen geboten: In diesem Fall sollte die Therapeutin eine umfangreiche traumatherapeutische Ausbildung bei einem guten Ausbildungsinstitut absolviert haben.
Mehr lesen: Atemübungen - eine Einordnung
Was kann man konkret erfragen?
- Was ist das Ziel der Behandlung? Wie ist der Ablauf? Welche Methoden werden angewendet und warum? So schwer diese Fragen gerade bei der subtilen Atemarbeit zu beantworten ist, bekommt man doch ein gutes Gefühl für die Therapeutin und ob man sich gerne in dem Raum bewegt, den sie offen hält.
- Wie geht die Therapeutin mit der Regression von Klienten um? Diese Frage ist etwas tricky, weil man wohl nur bei Psychotherapeuten eine ehrliche Antwort bekommt. Sie dient daher vor allem dazu, in sich hinein zu hören: Fühlt sich die Antwort wirklich so an, als ob die Therapeutin die eigene Sehnsucht nach Geliebt-Werden wirklich integriert hat? Kann ich bei dieser Person klein sein und darf ich gleichzeitig wachsen?
- Wie geht die Therapeutin mit Konflikten um? Diese Frage ist meist etwas unangenehm, gerade am Anfang. Trotzdem ist sie sehr erhellend, weil sich in der Atemszene viele liebe Menschen tummeln, die Konflikte gar nicht mögen. Durch diese Frage merkt man also sofort, ob die Therapeutin erfahren und innerlich unabhängig ist, ob sie Konflikte als Möglichkeit zur Weiterentwicklung versteht oder ihnen lieber aus dem Weg geht.
- Gibt es die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung? Diese Frage ist bei längerer Zusammenarbeit wichtig, also zum Beispiel bei Kursen, Ausbildungen oder Online-Programmen. An der Antwort sieht man oft recht gut, ob der Anbieter mit den Klienten wirklich in Augenhöhe umgeht.
Anmerkung: In diesem Text habe ich nur die weibliche Form verwendet, weil die Atemarbeit nahezu ausschließlich von Frauen gemacht wird. In diesem Fall sind es also die Männer, die immer mitgemeint sind – herzlich willkommen!
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Petra (Donnerstag, 10 März 2022 17:35)
Liebe Katharina,
Ich bin von Deinem Blog begeistert, v.a. Dein heutiger Beitrag von Bernhard von Clairvaux spricht mir aus der Seele. Er ist tröstlich und beruhigend und gerade jetzt so hilfreich! Wie schön, dass Du Dir Zeit nimmst für Deine Anregungen und Tips! Herzlichen Dank!